
Das Zwei-Säulen Modell des
NRW-Lokalfunks
§52 Landesmediengesetz NRW Absatz 1 bildet die rechtliche Grundlage für das sog. Zwei-Säulen Modell des NRW Lokalfunks:
Lokaler Hörfunk darf nur von einer Veranstaltergemeinschaft (§§ 58, 62 bis 66) veranstaltet und verbreitet werden, die sich zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben einer Betriebsgesellschaft (§ 59) bedient. Die Veranstaltergemeinschaft ist Veranstalterin des Programms und trägt hierfür die alleinige Verantwortung. Die Betriebsgesellschaft darf auf Inhalt und Programm keinen Einfluss nehmen. Die Sätze 2 und 3 gelten für programmbegleitende Telemedienangebote entsprechend.
Über diese Regelung ist die programmliche und die wirtschaftliche Verantwortung über die Verbreitung des lokalen Hörfunks in NRW zwischen Veranstaltergemeinschaften (kurz: VGs) und Betriebsgesellschaften (kurz: BGs) - den zwei Säulen des NRW Lokalfunks - bis heute aufgeteilt.
Historie
Als sich der Markt für privaten Hörfunk gerade entwickelte, ging die damalige, von der SPD-geführte NRW-Landesregierung einen bundesweit einzigartigen Weg und gestaltete aktiv den Hörfunkmarkt in NRW für die kommenden Jahrzehnte, statt die Entwicklung sich selbst und damit den Mechanismen der privaten Radiowirtschaft zu überlassen.
Der Grundgedanke des Zwei Säulen Modells war bei seiner Schaffung in den 1990er Jahren, ein lokales, flächendeckendes und wirtschaftlichen Zwängen abgekoppeltes Programm zu ermöglichen, ähnlich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk - aber eben als privatwirtschaftliche und gewinnorientierte Unternehmung. Auf der einen Seite die Programmverantwortliche Säule aus unabhängigen, heterogen aus relevanten gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzte und ehrenamtlich arbeitenden Veranstaltergemeinschaften, die auch als Arbeitgeber des redaktionellen Personals fungieren. Auf der anderen Seite die wirtschaftliche Säule der Betriebsgesellschaften, die technische Voraussetzungen für die Verbreitung schaffen, die Vermarktung der Inhalte übernehmen und über eine starke Verbindung zu den Zeitungsverlagen in NRW die finanziellen Mittel für den Betrieb aufbringen können. Angenehmer Nebeneffekt: Erlöse aus dem damals neuen Radiogeschäft standen nicht im Wettbewerb zu Verlagsprodukten, sondern ein zugehöriges Verlagshaus profitierte letztlich von dem ursprünglich kleinen Stiefkind Lokalfunk.
Da man bereits damals wusste, dass diese besondere Konstruktion auch besondere Regeln und besonderen Schutz brauchte, wurde der Zugang zum Radiomarkt in NRW eingeschränkt. Ohnehin gab es nicht unbegrenzt Hörfunkfrequenzen für privaten Hörfunk, aber die, die es gab, waren bis vor wenigen Jahren nur unter dem Schirm des Zwei-Säulen-Modells zu nutzen. Dieser Zustand wurde durchaus kritisch betrachtet, insbesondere von Personen oder Unternehmen, die in den Radiomarkt NRW drängen wollten, dies aber aufgrund der besonderen Gesetzeslage und dem darin verankerten Schutz des Zwei-Säulen-Modells nicht konnten. Spöttisch sprachen Außenstehende oftmals vom "Nordkorea des Radios" in Anspielung auf den abgeschlossenen Markt. Das erleichterte vermutlich auch, die Erfolge des Lokalfunks zu ignorieren.
Das so künstlich geschaffene Ökosystem des Hörfunkmarktes in NRW bestand damit lange Jahre aus dem Lokalfunk in NRW und dem öffentlich rechtlichen Rundfunk. DAB+ gab es nicht, ebenso waren Internetangebote nicht relevant.
Erfolge des Lokalfunks
Die Erfolgsstory des Lokalfunks besteht jedoch bis heute darin, dass NRW nach wie vor das dichteste Netz aus lokalen Radiostationen in der gesamten Bundesrepublik besitzt. Weiterhin ist der Radioverbund der NRW-Lokalradios in der bundesweiten Reichweitenerhebung stets führend und das mit einem Programm, das starke journalistische Akzente hat und in darauf mittlerweile als das "öffentlich-rechtlichste Privatradio" in Deutschland gilt. Auch dies sind am Ende Effekte des Zwei-Säulen Modells.
Die strikte Trennung der Verantwortlichkeiten zwischen Veranstaltergemeinschaften führte gerade in den frühen Jahren des Lokalfunks zu Grabenkämpfen zwischen den Akteuren, die jeweils ihre Interessen gegenüber dem Partner der anderen Seite durchsetzen wollten. Begleitet wurden die Akteure dabei von den zugehörigen Verbänden, die sich für jede der Säule bildeten:
Für die Betriebsgesellschaften der Verband der Betriebsgesellschaften in NRW e.V. oder auch BG-Verband
für die Veranstaltergemeinschaften der Verband Lokaler Rundfunk in NRW e.V. - der VLR
Als weitere wichtige Akteure im Zwei-Säulen-Modell ist zunächst RADIO NRW zu nennen. Der Rahmenprogrammanbieter des Lokalfunks in Oberhausen, bei dem ausgewählte Programmteile zentral und zur Verwendung durch alle Lokalstationen produziert werden und der die landes- und bundesweite Vermarktung des Lokalfunks in NRW übernimmt. Darüber hinaus haben sich in den Jahren, die der Lokalfunk nun bereits besteht, auch die Chefredaktionen des NRW-Lokalfunks als eigene Gruppe herausgebildet, die zugleich eng mit den Veranstaltergemeinschaften des Lokalfunks verbunden sind. Sie sind im Verein der Chefredakteure - VdC organisiert.
Aufsichtsbehörde für den Lokalen Hörfunk in NRW ist die Landesmedienanstalt NRW, die beispielsweise Lizenzen zur Veranstaltung von Hörfunk erteilt und über die Einhaltung von Auflagen dieser Lizenzierung wacht.
Heutige Situation
Der Verband Lokaler Rundfunk pflegt zu allen oben genannten Institutionen und Gruppen engen Kontakt. Dabei haben sich die Aufgaben, Rollen, aber auch die Zusammenarbeit der Akteure in den Jahren weiterentwickelt. Allein die Präsenz des Internets und die zunehmende Verbreitung von DAB+ bei gleichzeitiger Veränderung der Märkte Print und Bewegtbilder verbieten jeden Vergleich mit der Situation um 1990, als die ersten Lokalsender in NRW auf Sendung gingen.
Diese Unvergleichbarkeit ist zum einen der technischen Entwicklung geschuldet, die neben UKW (dort gelten die Regelungen des Zwei-Säulen-Modells) nun auch die Verbreitung von Radioprogrammen über DAB+ und Online ermöglicht. Ebenso verändern sich Ansprüche der Rezipienten und derjenigen, die den Lokalfunk NRW als Werbemedium nutzen, aber auch die handelnden Personen. Jahr für Jahr schreitet der Generationenwechsel im Lokalfunk voran und diejenigen, die die "Geburtswehen" des Lokalfunks miterlebt haben, scheiden aus dem aktiven Dienst aus. Das Miteinander ist über die Jahre freundlicher und Kooperativer geworden. Die strikte Trennung der Verantwortlichkeiten, die das Landesmediengesetz vorsieht, treten in der Regel hinter konsensuale und pragmatische Lösungen zurück. BGs und VGs arbeiten zusammen an einem inhaltlich ansprechenden, reichweitenstarken und gewinnbringend Produkt: Dem Lokalfunk NRW.
Blick in die Zukunft
Die vergangenen Jahre brachten für den Lokalfunk zusätzliche Herausforderungen: Bundesweite Verschiebungen auf den Werbemärkten treffen auch den Lokalfunk in NRW, Veränderung von Hörgewohnheiten und zunehmender Wettbewerb durch Online-Angebote und DAB+ Verbreitung gehen nicht spurlos vorüber. Die Akteure erkannten, dass die zugrundeliegende Struktur des Zwei-Säulen-Modells und die darauf basierenden Arbeitsweisen den Herausforderungen der zukünftigen Audiowelt nicht mehr gewachsen sind. In einem mehrjährigen Strukturprozess, den die Landesmedienanstalt NRW stark unterstützte, fand der Lokalfunk neue Regeln für das Miteinander, wirtschaftliche Zielsetzungen und intensivierte insbesondere die Kooperation der Sender untereinander und mit RADIO NRW, ohne die schützenswerte Grundfesten des Zwei-Säulen-Modells anzugreifen. Eine grundsätzliche Reform des Zwei-Säulen-Modells wird weder von den Akteuren des Lokalfunks NRW angestrebt noch scheint dafür der politische Wille vorhanden zu sein. Zu groß ist das Risiko, den reichweitenstärksten Radioverbund Deutschlands mit elementaren Reformen zu zerstören, als ihn zu stabilisieren.
Wir prognostizieren, dass der Lokalfunk NRW auch in den kommenden Jahren als journalistisches und demokratiesicherndes Produkt seinen festen Platz in der Medienlandschaft NRW haben wird. Als natürliche Evolution erscheint dabei der Gedanke, dass Kooperationen zwischen Sendern ausgeweitet und intensiviert werden. Dazu zählen häufig strukturelle Veränderungen wie die Bildung von Funkhäusern oder engeren regionalen Senderverbünden, jedoch stets unter der Prämisse, weder Programmqualität noch Relevanz einzubüßen und die grundsätzliche Trennung der Verantwortungsbereiche von VGs und BGs nach dem Zwei-Säulen-Modell aufrecht zu erhalten.
Verband Lokaler Rundfunk in NRW e.V.
im April 2025